Kann TikTok auf den US-Markt verzichten?
Die Entscheidung des obersten Gerichtshofs steht kurz bevor. Zweifel werden laut, ob die USA für TikTok überhaupt wichtig sind.
Ryan Broderick, Journalist und Verfasser des sehr empfehlenswerten Garbage Day-Newsletter, schrieb in der Ausgabe am Montag:
American users, like our politicians, incorrectly believe that TikTok needs them. They spent the weekend posting and sharing furious videos about their favorite social platform getting banned while scrambling to move over their audiences over Instagram and YouTube or newsletter platforms like Beehiiv and Substack. Which I sympathize with, though, only to a point. Because if you’re an American that’s been relying on TikTok as a publishing or communication tool it means that you fundamentally do not understand what the app is. Sure, America’s advertising market is one of the biggest and most lucrative in the world. But ByteDance doesn’t need it, since advertising has never been TikTok’s main focus. Like most Chinese platforms, TikTok’s advertising network has always been an intermediary step towards building out an international e-commerce business. It has never been the Instagram competitor we see it as. It’s an Amazon competitor. And our videos have never been anything more than filler. And you can always find more filler.
Das glaube ich offen gesagt nicht. TikToks Werbegeschäft ist mehr als nur ein „Zwischenschritt“ zum Live-Shopping. Es ist vielmehr ein integraler Bestandteil dieser E-Commerce-Strategie und mit Sicherheit der gewinnbringendste.
Zum Vergleich: Amazons Werbegeschäft hatte schon 2022 eine geschätzte Betriebsgewinnmarge von 60%. Über alle Unternehmensbereiche hinweg liegen sie aktuell bei einem Allzeithoch von „nur“ knapp 11%.
Diese Marge erzielen sie jedoch nicht weltweit, sondern nicht zuletzt durch ihre Nutzergemeinde in den USA. Ryan schreibt oben selbst, dass Amerika einer der „größten und lukrativsten Werbemärkte der Welt“ ist. Konkret sollen die Werbeausgaben für Social Media-Anzeigen im Jahr 2025 laut Statista auf 102,90 Milliarden US-Dollar wachsen. In Europa beträgt die Schätzung hingegen 39,97 Milliarden.
Warum investieren Werbetreibende überdurchschnittlich viel im Land der unbegrenzten Möglichkeiten? Für viele ist es einfach ihr Heimatmarkt. Ein weiteres Argument ist der deutlich höhere ARPU (Average Revenue Per User). Eric Seufert hatte diesen für Meta anhand ihrer Quartalszahlen im Jahr 2023 grob berechnet:
- USA: 50-60$ pro Quartal
- Europa: 14-18$ pro Quartal
Ein US-Nutzer gibt im Durchschnitt also mehr Geld aus. Das bedeutet, dass Unternehmen bereit sind, mehr für sie zu zahlen. Folglich führt dies zu einem höheren Umsatz für Werbeplattformen wie Meta und TikTok, ohne weitere Kosten zu verursachen.
Amerika ist für TikTok vielleicht nicht überlebenswichtig, aber das Unternehmen wird alles in seiner Macht Stehende tun, um den Bann zu verhindern und diesen Markt nicht Meta und Google zu überlassen.